Marzipanhonig

„Ich habe verspielt. Mich ins Aus gekickt – wie Sie wollen. Natürlich habe ich mich gewehrt. Mit Händen und Füßen, sogar gebissen und gekratzt habe ich. Am Türrahmen der Zelle, in die mich der stiernackige Polizist vor ein paar Stunden gezerrt hat, hängen die Splitter meines Nagellacks – so rot wie die Karte, die ich für dieses Finale verdient habe (…). Im Verlieren bin ich Weltmeister.

Es war einer der letzten Junitage gewesen, kurz vor Mitternacht. Ich starrte auf die riesige Waschtrommel und dachte über mein knapp vierzigjähriges Leben nach. Dass heute der Anstoß war für eine meiner typischen Niederlagen, hatte ich gewusst, seit mir am Morgen diese königspudelfrisierte Oma das letzte Milchbrötchen vor der Nase weggeschnappt hatte, gegen Mittag mein Wellensittich Butschi zum Blubbern der Kaffeemaschine stumm von der Stange geplumpst war und ich beim Versuch seiner Entsorgung eine Verstopfung im WC produziert hatte. Vielleicht hätte ich ihn nicht in eine vierlagige Rolle Klopapier wickeln sollen, aber ein bisschen Pietät hatte schließlich auch er verdient, und mitten in Frankfurt verbuddeln, das wäre ja auch nicht gegangen.
Zur Krönung des Tages betrat ich vorhin, den großen Stoffsack unter dem Arm, den kleinen Waschsalon – und sah sofort: Waschmaschine sieben war besetzt! Meine Sieben!“

So beginnt „Marzipanhonig“ – nach dem die verschwitzten Trikots einer deutschen Torjägerin duften und der aus einer Waschsalon-Begegnung eine witzig-chaotische Stalking-Geschichte macht. Mit einem Finale so tragikomisch wie überraschend …

Die Autorinnen:

Nessa Altura, Petra Busch, Sabine Deitmer, Christiane Franke, Nina George, Brigitte Glaser, Kathrin Heinrichs, Carmen Korn, Tatjana Kruse, Judith Merchant und Susanne Mischke.

Rebecca Gablé & Thomas Hoeps (Hg.): Scharf geschossen. Die Krimi-Anthologie zur Frauen-Fußball-WM 2011
Taschenbuch:
160 Seiten
Verlag: KBV (Mai 2011)
ISBN: 978-3942446105
Preis: 8,99 Euro

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  • „Es ist idiotisch, sieben oder acht Monate an einem Roman zu schreiben, wenn man in jedem Buchladen für zwei Dollar einen kaufen kann."
    (Mark Twain)